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Hätte Hätte Lieferkette
Von der Delegation staatlicher Pflichten auf den Bürger
Die famosen Ampel – Politiker bescheren dem Bürger ganz unabhängig von der Jahreszeit immer wieder kleine und große Überraschungspakete. Langfristig die Klimaneutralität bis 2045 durch ein Verbot fossiler Brennstoffe, was anderweitig die Preise fallen und den Verbrauch steigen lässt. Dort wird weiter in die Hände gespuckt, man erhöht das Bruttosozialprodukt, in Österreich ist die Industrieproduktion um 9 % und in der Schweiz um 22 % gestiegen, während sie hierzulange um 7 % gefallen ist (so der Gastbeitrag von Prof. Hans-Werner Sinn in der FAZ v.24.08.2023). Und in der putzigerweise so genannten Brückenstrategie setzt die Ampel ausgerechnet auf den schmutzigsten aller Brennstoffe, die Braunkohle, weil man ideologiebegründet an Atomkraft nicht einmal zu denken wagt. Vor der Sommerpause der absurde Streit um das noch absurdere Gebäudeenergiegesetz, nach der Sommerpause macht Frau Paus einfach weiter und dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz (der Name ist auch putzig, von wegen Wachstum (s.o.) und von wegen Beschleunigung) den Garaus, weil es ihr an der Kindergrundversorgung fehlt (die ja ohnehin nichts anderes ist als eine Steigerung der Bezüge aus dem Transferleistungstopf). Dass es ohne Wachstum, ganz egal, ob beschleunigt oder nicht, keine Versorgung gibt, ist Frau Paus offenbar nicht bewusst oder gleichgültig.
Dafür hat sie jetzt ein Selbstbestimmungsgesetz durchgesetzt, nach dem sich schon Vierjährige selbst aussuchen dürfen, was oder wie sie sein wollen (zur Erinnerung: in England hat kürzlich eine Vierzehnjährige darum gebeten, nur noch als Katze wahrgenommen und adressiert zu werden). Ein kleiner Sportverein im niederbayerischen Münzburg hat schon Schilder für die Damen – Umkleide in Auftrag gegeben Zutritt nur für weibliche Frauen. So was delegiert unser famoser Justizminister in bester liberaler Tradition an den Bürger, indem er stolz darauf hinweist, dass es doch immer noch dem Hausrecht des Bürgers überlassen bleibe, wer wo rein dürfe.
Was uns zum Lieferkettengesetz führt. Auch hier wird fleißig delegiert, nämlich die Plicht zu Wahrung der Menschenrechte. Wodurch der Unternehmer zum Weltenretter wird, die Ampel ist offenbar zu der Erkenntnis gelangt, auch auf diesem Gebiet ein Dauerversagen einräumen zu müssen. Zunächst zum Administrativen, weil der ausgerechnet beim liberalen Justizminister beheimatete Normenkontrollrat ja ständig die unkontrollierte Zunahme von Bürokratiemonstern beklagt. Das ist an die Macher des Lieferkettengesetzes noch nicht durchgedrungen. In § 2 mit der Überschrift „Begriffsbestimmungen“ heißt es in Abs. 1 zunächst ganz harmlos:
(1) Geschützte Rechtspositionen im Sinne dieses Gesetzes sind solche, die sich aus den in den Nummern 1 bis 11 der Anlage aufgelisteten Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte ergeben.
Aber schaut man dann in die Anlage, wird einem schwarz vor Augen. Dort findet der Unternehmer die Empfehlung erst zur Lektüre und dann zur Anwendung folgender völkerrechtlicher Normen:
1. Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1930 über Zwangs- oder Pflichtarbeit (BGBl. 1956 II S. 640, 641) (ILO-Übereinkommen Nr. 29)
2. Protokoll vom 11. Juni 2014 zum Übereinkommen Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1930 über Zwangs- oder Pflichtarbeit (BGBl. 2019 II S. 437, 438)
3. Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 9. Juli 1948 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes (BGBl. 1956 II S. 2072, 2071) geändert durch das Übereinkommen vom 26. Juni 1961 (BGBl. 1963 II S. 1135, 1136) (ILO-Übereinkommen Nr. 87)
4. Übereinkommen Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli 1949 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (BGBl. 1955 II S. 1122, 1123) geändert durch das Übereinkommen vom 26. Juni 1961 (BGBl. 1963 II S. 1135, 1136) (ILO-Übereinkommen Nr. 98)
5. Übereinkommen Nr. 100 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Juni 1951 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (BGBl. 1956 II S. 23, 24) (ILO-Übereinkommen Nr. 100)
6. Übereinkommen Nr. 105 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1957 über die Abschaffung der Zwangsarbeit (BGBl. 1959 II S. 441, 442) (ILO-Übereinkommen Nr. 105)
7. Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (BGBl. 1961 II S. 97, 98) (ILO-Übereinkommen Nr. 111)
8. Übereinkommen Nr. 138 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1973 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (BGBl. 1976 II S. 201, 202) (ILO-Übereinkommen Nr. 138)
9. Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1290, 1291) (ILO-Übereinkommen Nr. 182)
10. Internationaler Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte, (BGBl. 1973 II S. 1533, 1534)
11. Internationaler Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (BGBl. 1973 II S. 1569, 1570)
12. Übereinkommen von Minamata vom 10. Oktober 2013 über Quecksilber (BGBl. 2017 II S. 610, 611) (Minamata-Übereinkommen)
13. Stockholmer Übereinkommen vom 23. Mai 2001 über persistente organische Schadstoffe (BGBl. 2002 II S. 803, 804) (POPs-Übereinkommen), zuletzt geändert durch den Beschluss vom 6. Mai 2005 (BGBl. 2009 II S. 1060, 1061)
14. Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung vom 22. März 1989 (BGBl. 1994 II S. 2703, 2704) (Basler Übereinkommen), zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung von Anlagen zum Basler Übereinkommen vom 22. März 1989 vom 6. Mai 2014 (BGBl. II S. 306/307)
Immerhin: hier gelten nur die Nr. 1 – 11, Minamata, Stockholm und Basel sind raus (warum auch immer). Aber dabei belässt es ein strammer Gesetzesmacher natürlich nicht. In Abs. 2 heißt es dann:
„Ein menschenrechtliches Risiko im Sinne dieses Gesetzes ist ein Zustand, bei dem aufgrund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen eines der folgenden Verbote droht“.
Unsubtantiierter geht’s nicht. Aber dann geht es erst richtig los, nämlich mit den „folgenden Verboten“:
1. das Verbot der Beschäftigung eines Kindes unter dem Alter, mit dem nach dem Recht des Beschäftigungsortes die Schulpflicht endet, wobei das Beschäftigungsalter 15 Jahre nicht unterschreiten darf; dies gilt nicht, wenn das Recht des Beschäftigungsortes hiervon in Übereinstimmung mit Artikel 2 Absatz 4 sowie den Artikeln 4 bis 8 des Übereinkommens Nr. 138 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1973 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (BGBl. 1976 II S. 201, 202) abweicht;
2. das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren; dies umfasst gemäß Artikel 3 des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1290, 1291):
a) alle Formen der Sklaverei oder alle sklavereiähnlichen Praktiken, wie den Verkauf von Kindern und den Kinderhandel, Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft sowie Zwangs- oder Pflichtarbeit, einschließlich der Zwangs- oder Pflichtrekrutierung von Kindern für den Einsatz in bewaffneten Konflikten,
b) das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zur Prostitution, zur Herstellung von Pornographie oder zu pornographischen Darbietungen,
c) das Heranziehen, Vermitteln oder Anbieten eines Kindes zu unerlaubten Tätigkeiten, insbesondere zur Gewinnung von und zum Handel mit Drogen,
d) Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet wird, voraussichtlich für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich ist;
3. das Verbot der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit; dies umfasst jede Arbeitsleistung oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung von Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat, etwa in Folge von Schuldknechtschaft oder Menschenhandel; ausgenommen von der Zwangsarbeit sind Arbeits- oder Dienstleistungen, die mit Artikel 2 Absatz 2 des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1930 über Zwangs-oder Pflichtarbeit (BGBl. 1956 II S. 640, 641) oder mit Artikel 8 Buchstabe b und c des Internationen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1973 II S. 1533, 1534) vereinbar sind;
4. das Verbot aller Formen der Sklaverei, sklavenähnlicher Praktiken, Leibeigenschaft oder anderer Formen von Herrschaftsausübung oder Unterdrückung im Umfeld der Arbeitsstätte, etwa durch extreme wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung und Erniedrigungen;
5. das Verbot der Missachtung der nach dem Recht des Beschäftigungsortes geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes, wenn hierdurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen, insbesondere durch:
a) offensichtlich ungenügende Sicherheitsstandards bei der Bereitstellung und der Instandhaltung der Arbeitsstätte, des Arbeitsplatzes und der Arbeitsmittel,
b) das Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen, um Einwirkungen durch chemische, physikalische oder biologische Stoffe zu vermeiden,
c) das Fehlen von Maßnahmen zur Verhinderung übermäßiger körperlicher und geistiger Ermüdung, insbesondere durch eine ungeeignete Arbeitsorganisation in Bezug auf Arbeitszeiten und Ruhepausen oder
d) die ungenügende Ausbildung und Unterweisung von Beschäftigten;
6. das Verbot der Missachtung der Koalitionsfreiheit, nach der
a) Arbeitnehmer sich frei zu Gewerkschaften zusammenzuschließen oder diesen beitreten können,
b) die Gründung, der Beitritt und die Mitgliedschaft zu einer Gewerkschaft nicht als Grund für ungerechtfertigte Diskriminierungen oder Vergeltungsmaßnahmen genutzt werden dürfen,
c) Gewerkschaften sich frei und in Übereinstimmung mit dem Recht des Beschäftigungsortes betätigen dürfen; dieses umfasst das Streikrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen;
7. das Verbot der Ungleichbehandlung in Beschäftigung, etwa aufgrund von nationaler und ethnischer Abstammung, sozialer Herkunft, Gesundheitsstatus, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter, Geschlecht, politischer Meinung, Religion oder Weltanschauung, sofern diese nicht in den Erfordernissen der Beschäftigung begründet ist; eine Ungleichbehandlung umfasst insbesondere die Zahlung ungleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit;
8. das Verbot des Vorenthaltens eines angemessenen Lohns; der angemessene Lohn ist mindestens der nach dem anwendbaren Recht festgelegte Mindestlohn und bemisst sich ansonsten nach dem Recht des Beschäftigungsortes;
9. das Verbot der Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung, Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung, schädlichen Lärmemission oder eines übermäßigen Wasserverbrauchs, die
a) die natürlichen Grundlagen zum Erhalt und der Produktion von Nahrung erheblich beeinträchtigt,
b) einer Person den Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser verwehrt,
c) einer Person den Zugang zu Sanitäranlagen erschwert oder zerstört oder
d) die Gesundheit einer Person schädigt;
10. das Verbot der widerrechtlichen Zwangsräumung und das Verbot des widerrechtlichen Entzugs von Land, von Wäldern und Gewässern bei dem Erwerb, der Bebauung oder anderweitigen Nutzung von Land, Wäldern und Gewässern, deren Nutzung die Lebensgrundlage einer Person sichert;
11. das Verbot der Beauftragung oder Nutzung privater oder öffentlicher Sicherheitskräfte zum Schutz des unternehmerischen Projekts, wenn aufgrund mangelnder Unterweisung oder Kontrolle seitens des Unternehmens bei dem Einsatz der Sicherheitskräfte
a) das Verbot von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung missachtet wird,
b) Leib oder Leben verletzt werden oder
c) die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit beeinträchtigt werden;
12. das Verbot eines über die Nummern 1 bis 11 hinausgehenden Tuns oder pflichtwidrigen Unterlassens, das unmittelbar geeignet ist, in besonders schwerwiegender Weise eine geschützte Rechtsposition zu beeinträchtigen und dessen Rechtswidrigkeit bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
Und so geht das weiter und weiter. In Abs. 3 geht es um die Umwelt, in Abs. 4 um die Definition einer „menschenrechtsbezogenen Pflichtverletzung im Sinne dieses Gesetzes“, in Abs. 5 um die Lieferkette, in Abs. 6 um Tätigkeiten und Unternehmensziele, in den Abs. 7 und 8 um „unmittelbare und mittelbare Zulieferer im Sinne dieses Gesetzes“.
Genug mit dieser Quälerei, die selbst menschenrechtsverletzenden Charakter hat. Hier soll es darum gehen, wieso die Delegation von politischen und staatsrechtlichen Pflichten auf den Bürger (hier: den Unternehmer) ebenso wenig angemessen ist wie beim Selbstbestimmungsgesetz. Die Kontrolle menschenwürdiger Zustände in anderen Staaten liegt in erster Linie natürlich beim Staat selbst. Es wäre also originäre Aufgabe der Bundesrepublik, hier auf diplomatischen, politischen, wirtschaftlichen und sanktionsrechtlichen Wegen für Abhilfe zu sorgen, sei es bilateral, sei es über internationale Vereinigungen oder auch in Kooperation mit geeigneten NGOs. Aber das überlässt man lieber der Privatwirtschaft mit zahllosen Verboten, Geboten, Berichtspflichten und Sanktionen. Selbst sieht man sich eher in der Rolle des Hilfestellung bietenden Freundes und Unterstützers. Fragt man ChatGPT, wer zum Beispiel bei der Kinderarbeit ganz vorne ist, erhält man mit Datum vom 02.03.2023 folgende Antwort:
Besonders beliebt bei Herstellern jeder Preisklasse ist Bangladesch, das Land, das für seine billigen Arbeitskräfte bekannt ist. Hier produzieren Hugo Boss, Tommy Hilfiger und Calvin Klein neben Primark und H&M.
Und wenn man dann weiter fragt, welche Entwicklungshilfe die Bundesrepublik dorthin leistet, erfährt man:
Mit einem Volumen von rund 3,2 Milliarden Euro seit Beginn der Entwicklungszusammenarbeit ist Deutschland ein wichtiger bilateraler Geber für Bangladesch. Für die Jahre 2021 und 2022 hat die Bundesregierung Bangladesch insgesamt 275,1 Millionen Euro zugesagt.
Während die Politik sich in ihren Wohltaten sonnt, lässt man den Bürger die Drecksarbeit machen. Hier Entwicklungshilfe, dort Lieferkette.